›hunderte‹ in: Deutsches Wörterbuch (¹DWB) (2024)

centum.

1)

das dem lat. centum, sanskr. çatam entsprechende numerale hund hat zufrühest im gothischen nicht sowol die vollendung der zahlreihe von eins bis hundert auszudrücken, da hiefür taíhuntaíhund oder taíhun-têhund gilt, als vielmehr, nur im plural, und mit entsprechenden andern numeralien, gruppen von hunderten zu bezeichnen, tva, þrija, fimf, niun hunda. auch im ahd. und noch mhd. wird einfaches hundert durch zëhanzô, zëhanzug, zëhenzec gegeben, hund ebenso plural für hundertreihen genommen (zwei, thriu, finf hunt bei Tatian), doch kommt bei Notker ps. 89, 5 bereits ein hunt vor. dieses hunt bleibt ein immerhin seltenes wort, obschon es lange dauert (vgl. sp. 1919), weil sich die weiterbildung hundert verbreitet. dieselbe läszt sich zufrühest in den nordgermanischen sprachen nachweisen, altnord. hundrađ, plur. hundruđ, ags. hundred, fries. hundred, alts. (9. jahrh.) hunderôd, und begegnet südlicher, zuerst im mitteldeutschen des späten eilften jahrhunderts:

Rômere scrivin cisamin

in einer guldîne tavelin

driu hunderit altheirrin,

die dir plêgin zuht und êrin.

anno 263,

seit dem 12. jahrh. auch im eigentlich oberdeutschen, und zwar häufig, so dasz sie schon früher eingebürgert gewesen sein musz. Die ursprüngliche verwendung von hundert scheint im angelsächsischen zu tage zu liegen, hier bedeutet es die centena, die eintheilung des volkes in reihen von hundert, hundertschaften, und das von einer solchen reihe bewohnte land, in freierem sinne dann irgend eine schaar von hundert, endlich auch eine solche zahleinheit in bezug auf gegenstände, in welcher bedeutung es dann namentlich im altnordischen und im altsächsischen gebräuchlich ist. Bei der erwägung des verhältnisses von hundert zu dem oben erwähnten einfachen hund darf wol an die alts. form hunderôd als die vollste angeknüpft, und darauf aufmerksam gemacht werden, dasz, wie das wort von anfang an subst. neutr. ist, auf -ôd neutrale verbalsubstantive gebildet erscheinen, vgl. ahd. mêrôd augmentatio von mêrôn augere, hantalôd tractatio von hantalôn tractare, opfarôt, opfarôd sacrificium, von ophâron sacrificare, u. a., denen auch solche auf -id zur seite stehen (ferid navigium von faran Graff 3, 588). danach würde hunderôd auf ein verbum hunderôn zurückführen, von dem alten hund ausgehend, mit der bedeutung in gruppen von hundert gliedern, wie noch heute von drei das verbum dreiern (th. 2, 1378), von fünf fünfern (4¹, 561), von sechs sechsern, von zehn zehnern gebräuchlich ist, und ursprünglich eintheilung in hundert besagen, mit frühester anwendung auf das sociale gebiet und mit enger verwandtschaft zu dem sp. 1919 aufgeführten alemannischen huntari.

2)

daher ist hundert von alters her ein collectives neutrum, hundert in éiner zusammenfassung bezeichnend, wir sagen das hundert; manche waaren werden nach dutzenden, andere nach schocken oder hunderten verkauft; das geld trägt fünf vom hundert; das hundert ist in seestädten ein salzmasz: ein grosz hundert salz rechnet man für vier kleine hundert. Schedel waarenlex. 2, 340ᵃ. der beigesetzte gattungsname steht jetzt im nominativ: das hundert eier, ein hundert schreibfedern; in der ältern sprache im genitiv: das erste hundert nützlicher und lustiger historien. acerra philologica (1711) s. 1; alts. ôther half hunderôd hônerô. Freckenhorster heberolle 6; mhd.

si giengen ûf ein palas.

hundert krône dâ gehangen was (kronleuchter),

vil kerzen drûf gestôʒen.

Parz. 229, 24.

das hundert jahre, das volle, erfüllte jahrhundert:

doch jedes hundert jahr, vielleicht auch seltner noch,

kömmt so ein geist empor.

Lessing 1, 183.

das hundert war auf den alten zähl- und rechenbrettern die mit C bezeichnete rubrik (im gegensatz zu den mit M, X, I bezeichneten); darauf gründet sich die redensart das hundert in das tausend werfen, vom unordentlichen setzen der rechenpfennige auf unordentliches treiben überhaupt übertragen: tausent ist ein gröszere zal dann hundert. wer nun hundert zuͦ tausent wirft, und rechnet nit darzwischen die andern hundert, und als dann tausent, der macht es also, dasz niemandt weisz was er rechnet oder redt, darumb wirt disz wort gebraucht wider die, so vil gewäsch machen, aber selbs nit wissen wo es hat angefangen, odder wo sichs endet. Agr. spr. 201ᵃ; sie haben eine seltzame weise zu reden, als die keine ordnung halten, sondern das hundert ins tausent werfen. Luther 3, 224ᵇ; der teufel ist zornig, und wirft das hundert ins tausent, und richt so mancherlei gewirre an, das schier niemand weis, was er gleubt. 4, 332ᵇ; wiewol er (Jornandes) der Geten und Gothen historien .. wunderlich vermenget, und das hundert ins tausend wirft. Opitz 1, 145; er würft das hundert ins tausent. Schottel 1136ᵇ. vgl. auch unter hunderte, hundertste.

3)

dieses substantiv hat seine volle flexion, so namentlich im genitiv sing. und im plural: wir bedürfen eines vollen hunderts von diesen brettern; in den siebziger und achtziger jahren des vorigen hunderts. Göthe 50, 223, ungewöhnlich für jahrhunderts; und si sâʒin nider bî teilen, bî hunderten und bî funfzigen. Behaims evangelienbuch, Marc. 6, 40; er verkaufts bei hunderten, centum simul vendit Frisch 1, 476ᵇ; der plural steht gern im sinne einer unbestimmten grösze (vergl. nachher unter 7): hunderte von leuten strömten in die kirche; da liegen die feinde bei hunderten todt, hostium integrae centuriae prostratae jacent. Frisch 1, 474ᵇ.

4)

häufiger aber ist seit dem mhd. hundert als reines zahlwort verwendet worden, und hier unflectiert. ein hundert wird (auszer in gröszeren zahlenreihen, vgl. auch unter ein 2, th. 3, sp. 113), nur in ausdrücklicher sprechweise verwendet, sonst heiszt es kurz hundert: vant einen von sînen zuͦknechten, der solde ime hundert pfenninge. Behaims ev.-buch, Matth. 18, 28; und war dem Italiäner diese lection so angenehm, als wann ihm ein anderer hundert thaler verehret hätte. Happel acad. rom. 9; es ist ein guter gülden, der hundert erspart. Schottel 1115ᵇ; was hundert jahr ist unrecht gewesen, das ward nie kein stund recht. 1129ᵃ;

hundert pette er ligen vant, ..

hundert kulter drûffe lâgen.

Parz. 229, 28.

Man zählt von zwei bis neun hundert (zehnhundert ist ungewöhnlich und höchstens, wo es das unten no. 7 aufzuführende unbestimmte hundert verstärken soll, angewendet: heisa! heisa! so ist ja unser Roller zehnhundertfach vergütet! Schiller räub. 3, 2), und wieder von eilf hundert bis neunzehn hundert: das grundstück kostet sechzehn hundert thaler; acht hundert und vier thaler thun vierzehn hundert und sieben gulden; bei der angabe von jahreszahlen heiszt es lieber sechzehn, siebzehn hundert u. s. w. als ein tausend sechs hundert, ein tausend sieben hundert, eilf hundert für ein tausend ein hundert oder tausend einhundert, zwölf hundert für ein tausend zweihundert ist sogar das überwiegend gebräuchliche. dasz aber für ein tausend ein hundert nur tausend hundert gesagt werde:

tausend hundert zwei und dreiszlg,

am dreizehnten tag des maimonds

war es, als der gute feldherr

von Bivar die welt verliesz.

Herder zur litt. 5, 200 (Cid 65),

ist nur dichterische freiheit, da bei angaben von jahreszahlen, wie von summen überhaupt, die neben tausenden auch hunderte nennen, jede zahl der letzteren ausdrücklich hervorgehoben werden musz.Höhere reihen, über neunzehen hundert, zu zählen, ist ungewöhnlich, weil in solchen fällen die tausende markiert werden, man hört etwa im volke noch drei und zwanzig hundert für zwei tausend drei hundert und ähnliches, kaum aber gröszere zahlen, wie sechs und fünfzig hundert, sondern dafür stets fünf tausend sechs hundert.Die hunderte anstatt mit der bloszen einer- oder zehnerzahl zugleich mit dem multiplicationsworte mal aufzuführen (wie die hunderttausende, s. unten), ist nur der dichterischen sprache erlaubt:

dem kaiserlichen ohr

das huldigung und preises melodei

in dreimal hundert völkersprachen trinkt.

Kl. Schmidt poet. br. 89.

5)

hundert im gegensatz zu eins läszt den zahlbegriff schon unbestimmt erscheinen und will nur eine weit gröszere zahl der geringsten entgegenhalten (ähnlich zehn gegen eins, tausend gegen eins): ein jahr bösz, hundert jahr bösz. Pistorius thes. par. 2, 96; nicht nur Europa, ganz Asien und Africa werden für ein beispiel dieser wahrheit wol hundert geben. A. Gryphius 1698 1, 3; du wirst unter hundert, die ein groszes glück gemacht haben, schwerlich einen einzigen finden, der es nicht einer geschickten anwendung unsrer grundsätze zu danken habe. Wieland 1, 191 (163); es ist hundert gegen eins zu wetten, dasz die sache nicht geht. ähnlich so ist hundert zu drei in gegensatz gebracht: was drei wissen, das erfahren hundert. Schottel 1131ᵇ.

6)

anders ist bei ungefähren, nicht ganz exacten zahlbestimmungen die verbindung von eins und hundert (vergl. darüber theil 3, sp. 114): man sagte früher einen tag oder hundert, wenn man mit belassung eines spielraums aufs höchste hundert tage meinte; es wil mir nit zuͦston, euwer gelt zu bihalten, sonderlich dieweil es so vil ist, es wer dann ain guldin oder hundert ongevarlich. Schade sat. 3, 217; so reiten irer einer oder hundert mit einander. 109; so ich dann die kuntschaft von dir hett, traut ich mir auf einen tag ein pferd oder zwei hundert zusammen bringen. ebenda. das oder in dieser verbindung ist in der heutigen volkssprache zu angehängtem er geworden: eine kleinigkeit von ein hunderter fünfe. Engel philos. f. d. welt 19 (für altes ein hundert oder fünfe).

7)

hundert, mit ganz geschwundenem zahlenbegriff, bezeichnet nichts als eine grosze menge (wie ähnlich tausend, daher auch als steigerung eines adjectivbegriffs verwandt, vgl. unten hundertschön, und altnord. hundvîss auszerordentlich kundig), öfter auch in der verstärkung viel hundert: ob es müglich wêre, das er hundert tôde möcht erlîden. theol. deutsch s. 62 Pfeiffer; schelten schreckt mehr an dem verstendigen, denn hundert schlege an dem narren. spr. Sal. 17, 10; war wol hundert meile von seiner meinung. Schottel 1119ᵃ;

Gramont ward gewunnen,

in bluͦt lag menger rot,

gar snell es ward verbrunnen,

man sluͦg ir hundert tot.

Liliencron volksl. 2, 67, 12;

in seinem reich viel hundert städt

und unzehliche dörfer hett.

mückenkr. 1, 123;

auf dieses wurde mein mann, beim schein von hundert fackeln,

und auf des negers wink, beim spłel

von hundert schnarrenden geigen, die ihm entgegen rackeln,

herbei geführt.

Wieland 5, 12 (n. Amad. 12, 14);

erzählten .. viel hundert ebentheur.

Hölty 9 Halm;

rings zitterte das goldne band

der sonn' in hundert bächen.

24;

hier schlingt sie (die glut) eine ganze strecke,

mit hundert adern, sich durchs thal.

Göthe 12, 206.

die verbindung ein hundert klingt hier an den gebrauch no. 6 an, sie soll so viel sagen wie wol hundert:

das ist kein kleiner raum,

da sieh nur hin! du siehst das ende kaum.

ein hundert feuer brennen in der runde.

212.

8)

das multiplicativ von hundert, im bestimmten wie im unbestimmten sinne wurde mittelhochdeutsch durch hundert warp, hundert werbe, hundert stunt umschrieben, nhd. durch hundert mal: centesies hundert male, hundert mal, hundert mol Dief. 112ᶜ (mittelfränkisch, 1. hälfte des 15. jahrh.); ob ein sünder hundert mal böses thut. pred. 8, 7;

der auf halbes götter-leben

thäte hundert mal verzicht.

Kl. Schmidt poet. br. 87.

häufig zusammengerückt gegeben: ein ding hundertmal sagen, centies dicere, hundertmalen centies, hundertmalen theüwrer, centuplicate vaeneunt Maaler 232ᵈ; habe ich ihnen nicht hundertmal gesagt, sie sollen sich eine reiche frau wählen? Gellert 3, 339; aber hundert und hundertmal .. sagte ich mir die geschichte .. vor. Göthe 18, 33; dasz Rom .. voller ruinen stehe, welche hundert und aber hundertmal gezeichnet worden. 27, 46;

denn Molly trillert hundertmal

so hell und silberrein (wie die nachtigall).

Bürger 13ᵃ.

9)

hundert eins ist ein kartenspiel:

es kam ein weib ins haus (eines spielsüchtigen),

wein, bier, karnüffel, trumpf, und hunderteins war aus,

kofent ward eingeschenkt.

Rachel satyr. ged. (1677) s. 22.

bei H. Sachs 1, 518ᶜ wird es eins und hundert genannt.

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